Ist denn schon wieder Rehmer Markt?
Das mag sich mancher Ortsfremde gefragt haben angesichts der Buden, vollbesetzten Bierzeltgarnituren und Menschenmassen an der Laurentiuskirche. Es war nicht weit gefehlt: Pfarrer Rainer Labie wurde am Sonntag in den Ruhestand verabschiedet, und es schien, als wäre der gesamte Kirchenkreis gekommen.
Als „Anfänger“ verabschiedete sich Rainer Labie von der Emmaus-Kirchengemeinde. In seiner Zeit im Kirchenkreis Vlotho hat er vieles angefangen, und jetzt stand der Anfang in den Ruhestand auf dem Plan. Die Vielfalt seines Wirkens zeigte sich im Verabschiedungsgottesdienst: Vom vereinten Chor aus Rehmissimo, der Kantorei an der Auferstehungskirche und dem Kinderchor der Emmaus-Kirchengemeinde über einen gemeinsamen Posaunenchor mit Bläsern aus Rehme-Oberbecksen und aus der Auferstehungskirche bis hin zum spontanen Auftritt der Konfi-Eltern deckte der Nachmittag allein musikalisch ein weites Feld ab. Aber selbst dies war nur ein Teil des breiten Tätigkeitsspektrums von Rainer Labie.
You’ll never walk alone
Als Dortmunder Jung’ und langjähriger BVB-Fan gab es für Rainer Labie nur eine Art, von seiner Gemeinde Abschied zu nehmen: Zu den Klängen der Stadionhymne „You’ll never walk alone“ verließ er nach seiner letzten Predigt die Kanzel der Laurentiuskirche. Ein schwerer Schritt für den Pfarrer mit Leib und Seele, der seinen Ruhestand bis auf den letzten möglichen Zeitpunkt hinausgezögert hatte.
40 lange Jahre hatte Rainer Labie in der westfälischen Landeskirche gedient, auch wenn seine ursprüngliche Lebensplanung ihn auf andere Weise dem Himmel näher hätte bringen sollen. Pilot bei der Lufthansa wollte er werden, bevor es ihn unerwartet ins Theologiestudium zog. Er stammt nicht aus einem Pfarrhaus, sondern entschied sich aus Überzeugung für eine Laufbahn als Pfarrer.
Mit dem für ihn typischen Einsatz hatte er sich in den Pfarrdienst gestürzt, im Rückblick vielleicht sogar zu sehr. In den 17 Jahren, die er im Kirchenkreis Unna verbracht hatte, hatte er sich auch in die oft aufreibenden strukturellen Entwicklungsprozesse gestürzt. Ein Neustart war nötig, und Rainer Labie fand ihn in der Kurseelsorge in Bad Oeynhausen. Ein neuer Anfang, eigentlich nur auf Zeit, aus dem dann doch, wie bei vielen seiner Anfänge, viel mehr wurde: Aus dem befristeten Einsatz in der Kurstadt wurde ein ebenso befristeter Einsatz in Wehrendorf in Vlotho. Letztlich wurden aus drei Monaten über 12 Jahre, und aus dem kurzen Neustart im Kirchenkreis Vlotho wurde eine Karriere bis zum Ruhestand.
In Wehrendorf fand Rainer Labie nicht nur eine neue berufliche Heimat, sondern auch persönliches Glück. Mit seiner Frau Antje Illeson-Labie hat er im Kirchenkreis Wurzeln geschlagen, und auch bei seinem nächsten Neuanfang in den Ruhestand ist sie nicht von seiner Seite wegzudenken.
Es war der Wunsch nach mehr seelsorglicher Arbeit, die Rainer Labie aus seiner ursprünglichen Tätigkeit im Kirchenkreis Unna wegbrachte, und als Seelsorger wird er vielen Menschen in Vlotho und Bad Oeynhausen in Erinnerung bleiben. So kennt man ihn: Konzentriert und aufmerksam, die dunklen Augen in sich gekehrt, mit einem nachdenklichen, manchmal melancholischen Zug um die Lippen. Ein guter Zuhörer, der auch das wahrnimmt, was vielleicht nicht gesagt wird. Im nächsten Moment wieder lässig, die Hand in der Tasche, lachend und plaudernd. Diese Qualitäten machen ihn zum Netzwerker und Mediator. Trotz seines Wunsches nach mehr seelsorglicher Arbeit war es daher nur natürlich, dass Rainer Labie auch im Kirchenkreis Vlotho immer wieder andere Betätigungsfelder fand. Neben seiner halben Pfarrstelle in Wehrendorf übernahm er die Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis. Gleichzeitig wurde er auch in Rehme zur festen Größe im Gefüge des Stadtteils, mit den örtlichen Vereinen, auf dem Rehmer Markt oder sogar im Engagement für die Fledermäuse unter dem Dach der historischen Laurentiuskirche.
Immer neue Wege angefangen
Sein Wirken in Vlotho, Rehme und ganz Bad Oeynhausen wurde bei seiner Verabschiedung von vielen Seiten gewürdigt. Dorothea Goudefroy, die Rainer Labie mit seinen Kolleginnen und Kollegen und dem Presbyterium der Emmaus-Kirchengemeinde in den Ruhestand verabschiedete, ließ seine vielen Anfänge Revue passieren: vom ersten Experiment mit einem interprofessionellen Pfarrteam mit Ingrid Wilmsmeier bis hin zum Café Klatsch oder seiner ausgleichenden Rolle in der Entstehung der neuen Großgemeinde habe Rainer Labie immer neue Wege gefunden und einen Anfang gemacht. Für den großen Anfänger hatte die Superintendentin daher eine griechische Ikone aus Kreta mitgebracht, mit Christus als dem Anfänger der Auferstehung.
Viele Grußworte schlossen sich an, die wieder die Vielfalt von Rainer Labies Wirken bezeugten: Bürgermeister Lars Bökenkröger dankte ihm für die konstruktive Zusammenarbeit und antwortete treffsicher auf die von Rainer Labie aufgeworfene Frage, ob Bad Oeynhausen zurzeit als Stadt oder doch eher als Baustelle wahrgenommen werden müsse: Auch Baustellen seien Anfänge für etwas Neues. Es folgten der Dank der internationalen Gemeinde, der ökumenischen Kollegen, der Wohngruppe des Wittekindshofs und der lokalen Vereine, bis die Hunderte Gäste auf das vom Café Klatsch ausgerichtete Buffet und viele Gespräche mit ihrem Ruhestands-Anfänger losgelassen wurden.
(Ev. Kirchenkreis Vlotho)
(Fotos: Andrea Vormfenne/Klaus Udo Hennings)